Alkaloide

Was sind nun "Alkaloide", und warum sind sie in der Pflanze enthalten?

Die Bezeichnung wurde von W. MEISSNER geprägt (1818). Sie soll ausdrücken, daß derartige Stoffe alkali-ähnlich sind (abgeleitet von arabisch kalaja = brennen und dem griechischen Wort für "Aussehen, Gestalt"), was auf die offensichtlichen basischen Eigenschaften vieler bekannter Vertreter dieser Substanzgruppe abzielt.

Die Definition in MEYERS Konversationslexikon von 1896 lautet:

"Alkaloide (Pflanzenbasen), eigentümliche, oft durch hervorragende physiologische Wirkungen ausgezeichnete Pflanzenstoffe, welche aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff bestehen, meist auch Sauerstoff enthalten und in mancher Hinsicht den Alkalien (daher der Name) gleichen".

Auch in modernerer Literatur, zumindest wenn sie sich vorwiegend an Laien wendet, unterscheidet sich die Beschreibung nur unwesentlich von dem oben wiedergegebenen Lexikonauszug.

Die Fachliteratur betrachtet den so definierten Alkaloidbegriff ( = im Sinne von "alkali-ähnlich") dagegen kritischer. Das rührt vor allem daher, daß sich einige Alkaloide gar nicht alkalisch (basisch) verhalten, sondern fast neutrale Eigenschaften besitzen. Beispiele für solche neutrale Alkaloide sind das Colchicin aus der Herbstzeitlose, Ricinin aus der Rizinuspflanze oder Stachydrin aus Stachys sieboldi.

Man hat aus diesem Grund eine andere Alkaloid-Definition entwickelt, nämlich die, unter Alkaloiden stickstoffhaltige Verbindungen aus dem Tier- und Pflanzenreich zu verstehen. Nur müssen dabei erneut Einschränkungen gemacht werden. Nicht zu den Alkaloiden rechnet man nämlich die stickstoffhaltigen Stoffgruppen Aminosäuren, Peptide, Nukleotide, Purine, Pyrimidine, Pyrazine, Pterine, Vitamine und deren Abkömmlinge sowie Aminozucker und Antibiotika. Allerdings wird auch diese Zuordnung nicht immer konsequent gehandhabt. Eine Anzahl von Aminen mit Sekundärstoffcharakter, wie beispielsweise Ephedrin, Capsaicin und Hordenin werden auch als Protoalkaloide bezeichnet. Bei vielen Alkaloiden ist der Stickstoff in einen heterocyclischen Ring eingebunden.

Zusammenfassung: Merkmale für die Klassifizierung von Stoffen als Alkaloide

Basizität
Stickstoff im Molekül vorhanden, oftmals in heterocyclischer Bindung
Ableitbarkeit vom Aminosäurestoffwechsel
mehr oder weniger toxische Wirksamkeit
meist in der Vakuole gespeichert
keine Hormon- oder Vitaminwirkung

Den Alkaloiden kommt als Sekundärstoffen trotz der durchaus möglichen Wiedereinbeziehung in den Stoffwechsel der Pflanze wahrscheinlich keine lebenswichtige physiologische Funktion zu. Ihre ökologische Bedeutung ist ebenfalls umstritten. Eine gewisse Fraßschutzwirkung gegenüber Insekten und höheren Tieren kann ihnen dagegen nicht abgesprochen werden.

Sekundärstoffe des Stoffwechsels - dies zur Verdeutlichung - gehen aus den zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen unbedingt nötigen Primärstoffen durch spezielle Umwandlungsleistungen (zu denen nur bestimmte Gruppen lebender Organismen in der Lage sind) hervor.

Pharmakologie der Nachtschatten-Alkaloide

Die Nachtschatten-Alkaloide (in der Hauptsache Atropin und Scopolamin, letzteres auch Hyoscin genannt) sind in der Lage, den Überträgerstoff im vegetativen Nervensystem Acetylcholin von seinen Angriffspunkten (muscarinerge Rezeptoren) im gesteuerten Organ zu verdrängen. Die Alkaloide blockieren dann die Rezeptoren, ohne sie zu erregen. Die Blockade der parasympathischen Rezeptoren schaltet die Wirkung des freigesetzten Acetylcholin mehr oder weniger vollständig aus. Dadurch kommt es an manchen Organen, an denen der Parasympathikus (neben dem Sympathikus einer der beiden Teile des vegetativen Nervensystems) im Vordergrund steht, zu einer Hemmung der Funktion. An anderen Organen, welche beiden vegetativen Einflüssen unterliegen (z.B. am Herzen) kommt es zum Überwiegen des erregenden Sympathikus.

Werden Nachtschatten-Alkaloide (z.B. bei Intoxikation durch Giftpflanzen) eingenommen,so tritt als erste Reaktion meist eine Sekretionshemmung der Speichel-, Schweiß-, Schleim- und Verdauungsdrüsen auf: Mund, Nase und Rachen werden trocken, die Schleimabsonderung in den Bronchien wird vermindert. Am Magen-Darm-Kanal und im Bereich der Gallenwege wird der Muskeltonus vermindert, auch der Tonus der Harnblasenmuskulatur sinkt ab. Am Herzen kommt es durch die Ausschaltung der parasympathischen "Vagusbremse" und Überwiegen des Sympathikus zu einer starken Pulsfrequenzsteigerung auf etwa 150 Herzschläge pro Minute. Liegt, wie häufig bei älteren Menschen der Fall, eine (vielleicht sogar unerkannte?) Erkrankung der Herzkranzgefäße vor oder hat der Betroffene einen Herzinfarkt überstanden, kann das äußerst gefährlich sein. Bemerkenswert ist auch die ausgeprägte Pupillenerweiterung (Mydriasis) nach Gabe von Atropin oder Scopolamin. So "verschönerten" sich feine Damen des Barock bekanntermaßen durch Einträufeln von Tollkirschenextrakt in ihre Augen (Daher stammt die Bezeichnung" bella donna").

Scopolamin wirkt auf das vegetative Nervensystem qualitativ genauso wie Atropin; quantitativ bestehen wesentliche Unterschiede, da Scopolamin offensichtlich das Zentralnervensystem dämpft, während Atropin es erregt. Da in den meisten Nachtschattengewächsen beide Alkaloide in wechselnden Anteilen enthalten sind, ergibt sich ein variantenreiches Bild, was sich vor allem aus den ganz verschiedenen Wirkungen ablesen läßt, die man typischen Vertretern (wie Tollkirsche, Bilsenkraut, Alraune) zuschreibt.

[Index] * [Homepage]

Erstellt am: 03.05.1999 * Letzte Änderung am: 02.11.2019