Chemikalien-Lexikon "A"

Agar (-Agar)

Summenformel: (C12H18O9) x

Molmasse: Mr = 110.000-160.000

Andere Bezeichnung(en): Agartang, "Japanischer Fischleim", Chinesische bzw. Japanische Gelatine, Agar-agar (frz. und ital.)

EG-Nr.: 232-658-1
CAS-Nr.: [9002-18-0]
HS-Nr.: 2846 10 00

Natürliches Vorkommen: Agar-Agar wird aus verschiedenen Rotalgen-Arten (sog. Agarophyten, hauptsächlich sind es Gelidium-Arten, aber auch Pterocladia-, Gracilaria, Ahnfeltia spec., Familie der Rhodophyceae) durch Ausziehenlassen mit siedendem Wasser, Reinigung (Heißfiltration), Konzentration und schonende Trocknung gewonnen. Die Bezeichnung "Agar-Agar" stammt aus dem malaiischen Sprachraum und kann mit "gelierendes Lebensmittel aus Algen" übersetzt werden! Herkunftsländer sind neben dem Hauptlieferanten Japan auch die Staaten China, Korea, Ceylon, Neuseeland, Spanien und Marokko.

Aussehen, Beschreibung:

Bei der unzerkleinerten Ware handelt es sich um 1,5 bis 5 mm breite, dünne und 20 bis 60 cm lange, farblose bis blaßgelbe, durchscheinende Bänder oder dicke Fäden, manchmal auch um Flocken. Die Bänder sind zäh und schwer zu brechen; je trockener sie sind, desto brüchiger werden sie. Selten anzutreffen in Form von 3 bis 4 cm breiten, vierkantigen Agar-Stäben. Das Drogenpulver ist elfenbeinfarben. Agar-Agar ist an sich geruch- und geschmacklos, hinterläßt bei der Geschmacksprobe jedoch einen "schleimartigen" Eindruck.

Zusammensetzung:

Es handelt sich bei den Agar-Inhaltsstoffen zu 90% um Kohlenhydrate (sog. Heteropolysaccharide, das sind Polymere aus verschiedenartigen Einfachzuckerbausteinen), wobei der größere Teil davon (bis zu 70%) gelierende Agarose und der geringere Anteil (bis zu 30%) nichtgelierendes, kompliziert aufgebautes Agaropektin darstellt.

Agarose: ein lineares Polysaccharid aus abwechselnd b-1,3- und a-1,4- verknüpften D-GALACTOSE und 3,6-Anhydro-L-GALACTOSE-Bausteinen. Teilweise ist die Galactose (Galactopyranose) in 6-Stellung methyliert.
Agaropektin: linear
b-1,3-verknüpfte GALACTOSE-Bausteine, teilweise in 6-Stellung mit Schwefelsäure verestert, 3,6-Anhydro-GALACTOSE und die entsprechenden Uronsäuren

Sulfat macht bis 7% und Pyruvat zwischen 0,05 und 3% der Trockenmasse von Agar-Agar aus. Die chemische Zusammensetzung ist von Stammpflanze zu Stammpflanze etwas unterschiedlich.

Eigenschaften

In siedendem Wasser löst sich das Agarpulver auf, in kaltem Wasser quillt es. Wenn die heiße Lösung abkühlt, so bildet sich - je nach eingesetzter Menge - eine mehr oder weniger feste, gallertartige Masse. Die Gelierkraft von Agar ist dabei bedeutend höher als diejenige der aus tierischem Ausgangsmaterial erzeugten Gelatine. Somit ist dieses natürliche Mittel sehr ergiebig (1/2 Teelöffel Agar entsprechen dabei etwa 4 Blatt Gelatine!). Kocht man 1 g Agar mit 100 ml Wasser auf, so ergibt sich beim Abkühlen eine feste, schneidbare Gallerte (zur Verfahrensweise siehe Abschnitt Verarbeitung). Bei gutem Agarpulver wird die Lösung beim Abkühlen auf 40 °C dickflüssig, um spätestens bei 30 °C fest zu werden.

Verwendung, Verarbeitung:

Das Naturprodukt findet hauptsächlich in den Bereichen Lebensmitteltechnologie und Mikrobiologie verwendung. Sowohl in der Süßspeisen-, Backwaren- als auch der übrigen Lebensmittelzubereitung leistet es wertvolle Dienste als Gelbildner. Torten, Kuchen, Fruchtsoßen und -aufstriche sowie Rote Grütze gelingen auf der Basis von Agar. In kalorienarmen Diätetika dient Agar als Füllmittel, denn er kann von den Verdauungsenzymen des menschlichen Organismus nicht angegriffen werden. Durch die Quellung wird auf die Darmwände ein Volumenreiz ausgeübt, weshalb der Stoff in entsprechender Dosierung mild abführend wirkt.

In der Bakteriologie und Mikrobiologie wird Agar-Agar weit verbreitet zur Herstellung fester Nährböden eingesetzt. Diese Methode wurde erstmals 1882 von Robert Koch eingeführt. Vorteilhaft ist dabei besonders, daß Agargele für Mikroorganismen unschädlich sind und (von wenigen Ausnahmen abgesehen) von den Mikroorganismen nicht abgebaut werden können. - Technisch ist Agar auch in der Stoffdruckerei einsetzbar.

Verarbeitungshinweise: Grundsätzlich entfaltet Agar-Agar seine volle Gelierfähigkeit erst, wenn man das Pulver für etwa 2 Minuten mit Flüssigkeit kocht. Es ist gleichgültig, ob es sich dabei um Wasser, Milch, Saft oder Fruchtmuse handelt. Auf 250 ml der Flüssigkeit rechnet man etwa 1/2 Teelöffel Agar-Agar. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, die ganze Agarmenge zunächst mit dem fünften Teil der verwendeten Flüssigkeitsmenge kalt zu verrühren (am besten mit einem Schneebesen oder Quirl), und diese Mischung in den zum Kochen gebrachten Hauptteil der Flüssigkeit einzurühren. Jetzt läßt man das Ganze noch für 2 Minuten unter Rühren weiterköcheln. Zunächst bleibt diese Zubereitung noch flüssig, geliert aber schließlich bei fortschreitender Abkühlung. Sollte einmal die Agarmenge nicht ganz ausgereicht haben, so kann man das Aufkochen problemlos wiederholen und noch etwas Pulver hinzufügen, denn die Gelbildung ist reversibel (umkehrbar). Der Chemiker benennt solche Hydrogele mit dem griffigen Terminus "thermoreversible Nebenvalenzgele".

Das Algenpulver kann - wie Alginat - auch als natürlicher Gelbildner bei der Herstellung selbstgemachter Kosmetik verwendet werden. Natürlich darf man dabei keine so hohen Dosierungen einsetzen, damit man die fertigen Gels nicht "mit dem Messer schneiden" muß. Mit ein wenig Probieren findet man die "persönliche", optimale Konsistenz aber leicht heraus. Beachten Sie bitte, daß Kosmetika mit natürlichen Gelbildnern (wie Agar oder Alginat) nicht lange haltbar sind und gegebenenfalls konserviert werden müssen.

Rezeptur: Glycerin-Honig-Gel mit Agar (für die Handpflege)

Agar-Agar, gepulvert 1 g

Das Agarpulver im kalten Wasser quellen lassen, dann aufkochen und nach dem Erkalten mit den übrigen Bestandteilen verrühren. 1 Tag stehenlassen und das fertige Gel in Tuben füllen.

Wasser, destilliertes 25 ml
Reiner Honig 5 g
Glycerin 85% (Glycerol) 15 g
Weingeist (Ethanol) 90% Vol. 49,5 g
Rosenöl oder Parfümöl 20 Tro.

Der Agarbestandteil Agarose findet anstelle von Agar bei der Gel- und Immun-Elektrophorese, der Immundiffusion und bei der Gel-Chromatographie Verwendung.

Prüfung der Gelierwirkung:

2 g Agar-Pulver werden unter Erwärmen auf dem Wasserbad mit Wasser zu 100 ml gelöst (Prüflösung). Nur wenige Teilchen bleiben ungelöst.

5 ml der noch heißen Prüflösung läßt man in einem Reagenzglas mit eingehängtem Thermometer abkühlen. Bei 40 °C muß die Lösung dickflüssig und bei 30 °C geliert sein. Nachweis: Sie darf dann beim Kippen des Reagenzglases nicht mehr ausfließen.

Literaturhinweise:

Böhme/Hartke, Deutsches Arzneibuch 7. Ausgabe 1968, Kommentar, S. 118f (WVG, Govi-Verlag) - R 26 des DAB 7

Europäisches Arzneibuch, 3. Ausgabe 1997, Amtliche deutsche Ausgabe, S. 443f (DAV, Govi-Verlag 1997) - Monographie Agar

Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, 3. Ausgabe 1925 bis 1927, Ergänzungsband 1944

Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, 5. Aufl., Band 1, S. 702 (Springer Verlag, Berlin 1990)

HUNNIUS Pharmazeutisches Wörterbuch 7. Aufl. 1993, S. 32 (Walter de Gruyter, Berlin und New York) - Eintrag Agar

Merck Index 12, 182

Teuscher Eberhard, Pharmazeutische Biologie 2. Aufl., S. 53f (Fr. Vieweg & Sohn, Braunschweig 1979)

Erstellt am 02.10.1999 * Letzte Änderung am 27.05.2000 © OMIKRON GmbH, Neckarwestheim

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